Während der ehemalige Chef des Bundesnachrichtendienstes seine Aussage verweigert, flammt der Streit über die ausgelesenen Handydaten von Christina Block wieder auf: Mehrere Verteidiger stellen Befangenheitsanträge am 19. Prozesstag.
Nach fast zweiwöchiger Verhandlungspause setzte das Landgericht Hamburg am Mittwoch den Block-Prozess fort. Wie üblich war der Zuschauerraum bis auf den letzten Platz gefüllt. Ebenso üblich warteten vor dem Gerichtsgebäude wieder Unterstützer, um ihre Solidarität mit Christina Block zu bekunden. Und wieder mussten sich die Beteiligten den Kameras der Presse stellen, bevor die Vorsitzende Isabel Hildebrandt eingriff: "Das ist nicht zulässig, wenn sie so nah rangehen."
Im Vorfeld des 19. Verhandlungstages hatte das Landgericht (LG) Hamburg mit Beschluss vom 15. Oktober 2025, außerhalb der Hauptverhandlung, die Anträge auf Abtrennung des Verfahrens abgelehnt. Drei Mitangeklagte, darunter Blocks Cousine und deren Ehemann, hatten eine Abtrennung mit dem Argument beantragt, das Verfahren belaste sie zu sehr, weil Block so sehr im Rampenlicht stehe und das gravierende Auswirkungen auf ihr Privatleben habe. Außerdem hätten sie als Mitangeklagte in so einem langwierigen Verfahren bereits viele finanzielle Einbußen hinnehmen müssen.
Eine Abtrennung ist nach § 2 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) durch Beschluss möglich. Die Kammer lehnte den Antrag aber ab, nachdem sie zwischen Sachaufklärungspflicht, Prozessökonomie, Verfahrensbeschleunigung und berechtigten Verteidigungsinteressen abgewogen hatte. Zwar sei, so das Gericht, nachvollziehbar, dass die Angeklagten das Verfahren als erhebliche Belastung empfänden. Maßgeblich sei aber, dass eine Aufspaltung des Verfahrens zu einer "mindestens doppelten Durchführung einer weitgehend identischen, umfangreichen Beweisaufnahme" führen würde. Die Strafbarkeit einer Beihilfe könne nur festgestellt werden, wenn die Haupttat im selben Verfahren belegt werde, begründete das Gericht seine Entscheidung.
Ehemaliger BND-Präsident Hanning verweigert Aussage
Der für den Verhandlungstag geladene ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes, August Hanning, erschien nicht. Er hatte endgültig entschieden, von seinem Recht auf Auskunftsverweigerung nach § 55 Abs. 1 StPO Gebrauch zu machen. Danach kann jeder Zeuge die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst der Gefahr aussetzen würde, wegen einer Straftat verfolgt zu werden.
Die Entscheidung war juristisch erwartbar: Gegen den früheren BND-Präsidenten wird wegen eines mutmaßlichen Entführungsversuchs im Zusammenhang mit den Block-Kindern im Jahr 2022 ermittelt. Die Ermittlungen dauern an.
Ebenfalls gab es zwischenzeitlich wieder Streit um die Verwertbarkeit von Telefondaten aus Blocks Handys. Mit Beschluss vom 27. Oktober 2025 entschied das Gericht, dass voraussichtlich kein Beweisverwertungsverbot bestehe. Das Thema hatte bereits in früheren Sitzungen für Streit gesorgt: Die Verteidigung ist überzeugt, dass Blocks Handydaten nicht verwertbar sind, weil sie nicht ordnungsgemäß beschlagnahmt worden seien.
Kurz nach der Entführung der Kinder waren mehrere Handys von Christina Block sichergestellt, aber nicht formell beschlagnahmt worden. Die Verteidigung hält das für einen Verfahrensfehler, die Kammer entschied nun anders und ordnete die Nachbeschlagnahme an. Eine Beschlagnahme ist gemäß § 98 Abs. 1 StPO durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen anzuordnen. Beides war bisher nicht erfolgt.
Befangenheitsanträge nach der Beschlussbegründung
Die Entscheidung der Kammer vom 27. Oktober löste eine Reihe von Befangenheitsanträgen aus, welche am Mittwoch in der Hauptverhandlung vorgetragen wurden. Der Verteidiger des mitangeklagten Anwalts der Familie Block, Dr. Marko Voß, stellte einen "unaufschiebbaren Antrag" wegen Besorgnis der Befangenheit nach §§ 26 Abs. 1, 24 StPO. Er begründete dies damit, dass die Kammer in ihrem Beschluss zur Nachbeschlagnahme formuliert habe: "Gleichzeitig kommt den Beweismitteln große Bedeutung zu, insbesondere weil sich die Angeklagten nicht oder nicht umfassend über eine Beteiligung an der Tat geständig eingelassen haben." Voß kritisierte eine vorgezogene Würdigung der Beweismittel und einen, aufgrund der Bezugnahme eines fehlenden Geständnisses der Angeklagten, mangelnden ergebnisoffenen Verfahrensgang.
Wörtlich sprach Voß von einer "voreingenommenen Kaschierung eines Verfahrensmangels" durch die Kammer, einer "nicht mehr hinnehmbaren Verletzung der Unschuldsvermutung" und einem "verstörenden Eindruck", dass offenbar "der Zweck die Mittel heiligt". Weitere Verteidiger schlossen sich dem Antrag an. Sie kritisierten, die Kammer habe durch die Begründung den Eindruck vermittelt, eine Verurteilung sei bereits das "angestrebte und offenbar feststehende Schuld-Ergebnis".
Wird ein Ablehnungsantrag nicht als unzulässig verworfen und ein Mitglied der erkennenden Strafkammer abgelehnt, so entscheidet die Strafkammer gemäß §§ 27 Abs. 1 und 2 StPO in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung. Da es sich im Block-Prozess um zwei Mitglieder der Strafkammer handelt, obliegt die Entscheidung über die Ablehnungsanträge nunmehr einer ihrer Vertretungskammern.
Die Leiterin der Gerichtspressestelle des Oberlandesgerichts Hamburg, Dr. Marayke Frantzen, sagte gegenüber LTO, dass es sich nicht um das erste Ablehungersuchen handele. Vorherige Anträge seien allerdings sämtlich, außerhalb der Hauptverhandlung, als unbegründet abgelehnt worden.
Blocks Tagebucheinträge verlesen
Ein weiterer Streit betraf am Mittwoch auch die Verwertbarkeit der auf den IT-Asservaten befindlichen Tagebucheinträge Blocks. Ihr Verteidiger, Dr. Ingo Bott, zweifelte daran, dass Fragen unter Vorhalt der Tagebucheinträge zulässig seien. Sein entsprechender Antrag nach § 241 StPO sei geboten, denn Tagebuchinhalte seien dem höchstpersönlichen Lebensbereich zuzuordnen. Die Kammer sah aber keinen Grund für die Abänderung ihrer Entscheidung zu den IT-Asservaten und erklärte, dass der Beschluss auch für die Tagebucheinträge Blocks gelte. So kam es, dass sich Block zu einem dieser besagten Tagebucheinträge äußerte.
Beim Verlesen eines Eintrags vom 19. November 2023 brach Block in Tränen aus. Sie hatte in ihr Tagebuch geschrieben: "Ich hoffe so sehr, dass es nun losgeht. Ich weiß nicht, wann es losgeht, sie sagen mir nichts. Wenn sie mir seit so langer Zeit sagen, es wird bald losgehen, bewegt das gar nichts in mir." Sie erklärte, der Eintrag habe sich nicht auf eine Entführung der Kinder bezogen, sondern auf etwaige Ermittlungen zu Kinderpornografie-Vorwürfen gegen ihren Ex-Mann Stephan Hensel. "In meinem Kopf schwirrten die schlimmsten Vorstellungen", sagte Block am Mittwoch. Täglich habe sie gehofft, von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft zu hören, und sei stets in Panik gewesen. An diesem Tag, dem dritten Geburtstag ihres Sohnes seit der Entziehung durch den Vater, habe sie ihre Gedanken dann in dem Tagebucheintrag festgehalten.
Nachdem die Nebenklage dieses Tagebuchzitat bisher als offensichtliches Indiz für die Beauftragung der Kindesentziehung durch Block wertete, ruderte sie nun zurück. Am Rande der Verhandlung äußerte der Nebenklagevertreter Dr. Philip von der Meden gegenüber der Presse, es sei nicht "völlig ausgeschlossen", dass bei dem Verfassen des Tagebucheintrags die Ermittlungen zu Kinderpornografievorwürfen gegen Hensel "eine Rolle spielten". Der Wunsch, die Kinder zurückzuholen, werde dennoch deutlich. Dazu von der Meden wörtlich: "Das eine muss das andere nicht ausschließen." Gleichzeitig äußerte er einen Rat in Richtung Block: "Es wäre sinnvoll, wenn Frau Bock ihre Verteidigungsstrategie grundsätzlich überdenken würde, um möglicherweise irgendwann wieder Kontakt zu den Kindern bekommen zu können."
Weiter geht es am Donnerstag, den 6. November 2025.
Erneut Befangenheitsanträge im Block-Prozess: . In: Legal Tribune Online, 29.10.2025 , https://lto-origin-update.connectaserver.de/persistent/a_id/58494 (abgerufen am: 12.11.2025 )
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